Mit 2016 endete ein weiteres Jahr ohne Klarheit darüber, ob die Mietpreisbremse überhaupt und wenn ja, welche Wirkung sie erzielt hat und weiterhin erzielt. Fest steht, dass die Landesregierungen von ihrer Kompetenz gem. § 556 d Abs. 2 BGB Gebrauch gemacht und Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt bestimmt haben. Ebenso anhaltend sind die Bemühungen von Haus & Grund – Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V. – die vermeintliche Verfassungswidrigkeit der Regelung festzustellen, wie die Anstöße des deutschen Mieterbundes zur Nachbesserung, die auf die Auferlegung einer erweiterten Mitwirkungspflicht und Sanktionierungsmöglichkeit gegenüber dem Vermieter abzielen. Und dann könnte es dem neuen (Wahl)jahr zu verdanken sein, dass Überlegungen laut werden, die Bezugsmenge zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete in Mietspiegeln von vier auf acht Jahre zu erweitern. (http://www.bmjv.de/SharedDocs/Reden/DE/2016/05182016_DMB.html) Zumindest bei der letztgenannten Idee dürfte noch hervorgehoben werden, dass bisher bei Veränderungen der Bezugsmenge mit einem Ausgleich der „anderen“ Partei verbunden waren. So wurde – mit dem Gesetz zur Erhöhung des Angebotes an Mietwohnungen vom 20.12.1982 (BGBl.I S. 1912) – die erstmalige Einführung des begrenzten Zeitraumes (damals 3 Jahre) zugunsten der Vermieter mit der Kappungsgrenze zugunsten der Mieter (damals 30% in drei Jahren) begleitet. Eine jetzt geplante Verdoppelung ohne ein Äquivalent zugunsten der Wohnungswirtschaft scheint daher jedenfalls in diesem Volumen neu und lediglich auf den ersten Blick für Mieter verlockend, da die Diskussion darüber, wie sich die Bezugsmenge zusammensetzt (Verhältnis Neu-Altverträge, Verhältnis der jeweiligen Jahre usw.) nicht abgeschlossen ist.
Wenn somit der Nachweis nach wie vor fehlt, dass die Mietpreisbremse ungeeignet (und damit verfassungswidrig) ist, bleibt rückblickend lediglich die Wertung der im Wesentlichen unstreitigen Fakten. Hierzu gehört, dass kaum Rügen hinsichtlich des Überschreitens der 10%-igen Grenze verlautbar wurden. Auch dürfte zutreffen, wie Siebenkotten (DMB) unter Zugrundelegung mehrerer Untersuchungen der Internetangebote in Hamburg, München, Berlin und Frankfurt hervorhebt, dass „zwischen 66,5 Prozent und 94,8 Prozent aller Angebote über der Obergrenze der Mietpreisbremse lagen“.
Zweifel bestehen allerdings, ob hieraus eine Scheu der Mieter abgeleitet werden kann, die zur Begründung eines Nachbesserungsbedarfes der gesetzlichen Regelung genommen wird. (siehe z.B.: http://www.berliner-mieterverein.de/magazin/online/mm0616/061614.htm.) Eine verlässliche Herleitung würde nämlich zu allererst voraussetzen, dass sich die o.g. Angebote auch in Vertragsabschlüssen niederschlagen. Dann müsste keine der gesetzlichen Ausnahmeregelungen greifen (zulässige Vormiete § 556 e Abs. 1 BGB/ Modernisierung § 556 f S. 2 BGB). Und schließlich müssten sich Vertragsparteien finden, in denen der Mieter sich vor einer Auseinandersetzung mit dem Vermieter „scheut“. Zwar liegen für alle drei Punkte keine empirischen Belege vor, der letzte Punkt scheint aber besonders fraglich.
In diesem Vertragsverhältnis wären nämlich zwei Perspektiven zu berücksichtigen; die des „scheuen“ Mieters und die des mit diesem „scheuen“ Mieter kontrahierenden Vermieters.
Zum Mieter: Es wird gemutmaßt, dass diese Partei zur Zielgruppe gehört, auf die der Gesetzgeber in seiner Begründung abzielte – also diejenigen, die sich die Marktmiete – eigentlich – nicht leisten können, aber froh sind, die Wohnung überhaupt zu bekommen. Damit liegt in dieser Betrachtung die Annahme, dass der Vermieter mehr als zulässig verlangt und der sozial schwächere Mieter mehr zahlt, als er müsste, dies aber schweigend erträgt bzw. meint, ertragen zu müssen (closed in effect).
Mag diese Sichtweise auf den Mieter noch vertretbar sein (unter Neutralisierung der – aufgrund der eindeutigen Rechtslage – kognitiven Verzerrung, dass der Vermieter auch hier am längeren Hebel säße), spricht die Perspektive des Vermieters – objektiv betrachtet – wirtschaftlich dagegen.
Zum Vermieter: Er hätte sich also aus den Bewerbern denjenigen ausgesucht, für den die Miete eine überdurchschnittliche Belastung darstellt (nach aktuellen Zahlen (2014) mehr als 27,2 % seines verfügbaren Haushaltseinkommens https://www.destatis.de / DE / PresseService / Presse / Pressemitteilungen / 2016 / 12 / PD16 _ 473 _ 122.html ; jsessionid = 552F15845E17EE694A05AD8F17A48782.cae3). Warum hätte er dies tun sollen? Wenn er den Verstoß bewusst begeht (wovon aufgrund der anhaltenden öffentlichen Diskussion nach erstem Anschein auszugehen sein müsste), würde er also das Risiko der Rückforderung bei diesem Mieter geringer einschätzen als bei einem potenteren Mieter. Da das Rechtsrisiko identisch ist, müsste also – aus seiner Perspektive – die Scheu des Mieters so schwer wiegen, dass sie alle Vorteile aus einem Vertrag mit einem potenteren Mieter überkompensiert. Dies wird aus mehreren Gründen nicht tragen: Erstens ist das Mietausfallwagnis – also nicht „nur“ der Überzahlung – bei einem Mieter höherer Bonität grundsätzlich geringer. Der Mieter höherer Bonität hat an der Überzahlung zweitens eine individuell geringere Last zu tragen. Ob ihn diese zu Transaktionskosten ermuntert (Zeitaufwand durch Anwalt aufsuchen/telefonieren/Briefe und Mahnungen lesen usw.), ist sehr fraglich. Beide Mietparteien sind im Recht; für den sozial schwächeren „lohnt“ es sich individuell mehr als für den sozial stärkeren.
Fazit: Der vorgezeigte Perspektivenwechsel und die damit einhergehende Risikobetrachtung sprechen gegen die Annahme, dass das Überschreiten der Höchstgrenze aus „Scheue“ des Mieters ungerügt bleibt. Eher deutet es darauf hin, dass Vermieter sich Mieter mit höherer Bonität suchen, wenn sie bewusst die Grenze überschreiten. Gleiches dürfte umso mehr gelten, wenn sie die Obergrenze einhalten. Denn auch hier ist ihr Ausfallrisiko bei einer höheren Mieterbonität geringer, der Vertrag trotz des gleichen aber sicheren Ertrages somit rentabler.